Als Christen haben wir die Stärke, auf Gott zu vertrauen und uns im Gebet zu vernetzen.
Wir Schwestern beten in der Krönungskirche die Novene "Was immer ist: Mit Maria" und den Rosenkranz und bitten die Gottesmutter, allen, die sich zu Hause unserem Gebet anschließen, in dieser Krisenzeit beizustehen und Gottes besonderen Schutz zu erbitten.
Die Mutter der Gnade
„Dir ist in Verbindung mit dem Sohn gegeben,
uns zu schenken das verlorene Gnadenleben,
manche Erdennöte von uns fernzuhalten,
sie zu lindern und zum Heil uns zu gestalten.“
(Ausschnitt des "Notgebets" von P. Kentenich, entstanden im KZ Dachau)
Der Text spricht zu uns
Verlorenes Gnadenleben. Das klingt so einfach. Und ist einfach.
Gnade – das bedeutet: Gott gibt uns teil an seinem göttlichen Leben. Wir sind Kinder Gottes seit unserer Taufe.
Dieses Geschenk können wir durch die Sünde verlieren, durch Umkehr und Buße aber zurückgewinnen.
Gnade – das bedeutet auch: Gott wendet sich uns zu und lässt uns spüren, dass er uns liebt. Und diese Erfahrung ist ganz lebendig in uns. Daraus leben wir.
Um das recht zu verstehen, betrachten wir einen ähnlichen Vorgang im natürlich-menschlichen Bereich: Da wendet sich ein Mensch dem anderen zu, und er macht das großmütig. Er berechnet nicht, sondern er schenkt. Das kann im ganz nüchtern rechtlichen Bereich geschehen, dann sprechen wir von der „Begnadigung eines Verurteilten“.
Gnade gibt es auch unter Menschen, die sich lieben. Nicht als Aufgabengemeinschaft, sondern als Liebes- und Lebensgemeinschaft, etwa in der Ehe oder in der Erziehung.
Wir beobachten zwei Fehlformen, die beide Gnade vermissen lassen:
Die eine kommt aus alter Zeit. Man hat damals Kinder erzogen ohne Gnade – zu gnadenlosen Menschen. Sie waren diszipliniert, korrekt, sauber gekleidet; sie haben alle Anstandsregeln gekannt und angewandt. Und als Erwachsene haben sie sich genau an die Pflichten einer Ehefrau gehalten und haben körperliche Gemeinschaft als „eheliche Pflicht“ über sich ergehen lassen.
Der gnadenlose Formalismus des Lebens hatte eine männliche Version: Disziplin, Korrektheit, militärisches Auftreten. Heute haben wir es mit einem anderen Verlust der Gnade zu tun: Der andere Mensch ist uns gleichgültig. Wir benützen ihn, auch als Partner. Aber es gibt keinen Strom der Liebe zwischen uns. Wir kommen und gehen. Für die Kinder haben wir keine Zeit. Und füreinander auch nicht.
Man lebt zusammen, aber man lebt nicht miteinander und ineinander.
Gnade unter Menschen bedeutet: Ich wende mich dir zu. Du bist mir wertvoll. Und dann geht ein Strom von Wohlwollen und Erbarmen von mir zum anderen. Ähnlich ist es im Umgang mit Gott: Gott wendet sich uns zu und er erbarmt sich: Er erhebt nicht den Zeigefinger. Gott lächelt und sagt: „Komm, mein Kind!“
Gott ist auch nicht gleichgültig.
Da gab es die Lehre: Gott hat die Welt erschaffen und sich dann zurückgezogen. Und jetzt läuft sie nach ehernen, ewigen Gesetzen ab. Aber man kann Gott nicht mehr jeden Tag erleben.
Gnade bedeutet, er wendet sich mir zu. Diese Zuwendung kann durch Menschen geschehen. Der Mensch, der mich zärtlich berührt, ist ein Werkzeug in der Hand Gottes. Und dieser Gott will mich zärtlich berühren. Der Mensch, der mir ein gutes Wort sagt, spricht zu mir als Werkzeug Gottes, der mich belehren möchte. Der Mensch, der von mir Qualitätsarbeit fordert, sagt mir etwas von Gott, der mich groß sieht und groß sehen möchte – also eben nicht nur brav und pflichtgetreu.
Und endlich geht von diesem Gott ein Strom aus; und dieser Strom heißt Erbarmen. Wenn wir Sünder sind oder böse waren, dann können wir zu ihm gehen und er sagt: „Komm.“
Aber auch hier gibt es das Abbild seines Erbarmens: Wer nie Vater und Mutter erlebt hat, die gesagt haben: „Komm!“, wird sich schwer tun, wahrzunehmen: Gott verzeiht mir, er ist barmherzig.
Um diesen großen Gedankenkreis immer neu festzuhalten, hat uns der liebe Gott die Gottesmutter geschenkt. Die Mutter der Barmherzigkeit. Die Frau, zu der wir immer kommen können und dürfen. Und so gehen wir denn mit der ganzen katholischen Kirche zur Gottesmutter und begegnen ihr an den großen Wallfahrtsorten und an den kleinen Bildstöckchen im Feld. Und auch zu Hause ist die Mutter bei uns. Ein Zeichen für ihre Nähe ist das Marienbild. Es ist ein Zeichen. Aber ein sehr sprechendes Zeichen. Das Marienbild sagt: „Ich bin gerne bei euch in eurem Haus, weil ich euch liebe. Ich bin eure Mutter.“
In der Schule von Pater Kentenich
Pater Kentenich hat sein Leben damit zugebracht, die Botschaft vom Wirken der Gnadenmutter den Menschen zu bringen: „Ich sorge für die Gottesmutter, und die Gottesmutter sorgt für Schönstatt.“
Er hat den Anfang gemacht mit den Schönstattheiligtümern. Er hat sich der Gottesmutter geschenkt und hat ihr gesagt: “Komm zu mir in das kleine Kapellchen, in diesen neuen Treffpunkt unserer Gemeinschaft junger Männer. Komm zu uns. Wir brauchen dich.“
Und die Gottesmutter „kam“. Viele haben erlebt: Sie ist an diesem Ort besonders nahe.
Und jetzt ganz praktisch:
Gott wendet sich uns zu. Er liebt uns. Das nennen wir Gnade. Und die Gottesmutter hilft uns, diese seine Gnade in unser praktisches Leben hereinzulassen. Sie ist unsere Gnadenmutter. Eine Mutter schenkt den Kindern das Leben. Und die Muttergottes sorgt dafür, dass die Liebe Gottes unser Leben erfüllt.
Wir sagen heute immer wieder, wenn etwas anstrengend ist, wenn etwas wehtut, wenn uns jemand ärgert – dann sagen wir der Gottesmutter: „Ich schenke dir das. Lass viele deine Liebe spüren.“
Noch einmal die Strophe aus dem Notgebet. Sie kann uns dann den ganzen Tag begleiten, wie ein kleines Stoßgebet.
„Dir ist in Verbindung mit dem Sohn gegeben,
uns zu schenken das verlorene Gnadenleben,
manche Erdennöte von uns fernzuhalten,
sie zu lindern und zum Heil uns zu gestalten.“