Geistliche Abendmusik - Paris? ...oder Venedig? - Welche Stadt machte den ‘großen Wurf’?

Sonntag, 10. Juli 2022

Theresia und Christian Stahl mit Barockblockflöten und Theorbe / Laute

Schwester M. Faustina Niestroj. An die 80 Zuhörerinnen und Zuhörer erlebten einen besonderen Abend mit Musik, die nicht auf laute, effektvolle Akzente aufbaut, sondern, Musik, die höchste Konzentration und Einfühlung erfordert.

Einige Werke der Komponisten Jacques Hotteterre (1674-1763); Denis Gaultier (1652) und Anne Danican Philidor (1681-1728) stellten die Besonderheit des pariser Stiles dar, wie er sich um den königlichen Hof Ludwigs des XIV. auf Schloss Versailles etabliert und damals in der Welt breite Nachahmung fand. Majestätische, auf Details bedachte, filigrane Musikklänge, weich und unaufdringlich gaben die Atmosphäre der Hofkultur wieder. Theresia Stahl verwendete dabei überwiegend die Alt-Barockflöte. Christian Stahl gab die Suite en Re Majeur von Denis Gaultier als Solist auf der Laute wieder.

Als Kontrapunkt zu der musikalischen Einlage folgte – wie es in der Geistlichen Abendmusik Liebfrauenhöhe üblich ist – ein Statement geistlicher Art. Eigentlich hätte ihn Weihbischof Thomas Maria Renz vorgetragen, jedoch musste er aufgrund eines positiven Coronatestes die Quarantäne einhalten. Schwester M. Faustina hat seinen Texten ihre Stimme verliehen und konnte dadurch seine Inhalte weitergeben. So schilderte Weihbischof die geistliche Landschaft der damaligen Zeit: Ludwig XIV. erblickte in der Verbreitung der Hugenotten eine Gefährdung für die eigene Machtsicherheit und bekämpfte diese erfolgreich. Zugleich schwächte er die Papstposition bei den Katholiken. Dennoch weckte diese Zeit Heldengestalten, die sich vor allem der „am Rande gebliebenen“, armen Bevölkerung annahmen. Zu ihnen gehörte Louise von Marillac, die zusammen mit Vinzenz von Paul ab 1633 die „Töchter der christlichen Liebe“ gründete, bekannt als die „Vinzentinerinnen“. Ebenso hat sich eine hl. Johanna vom Kreuz ganz dem Dienst an den Ärmsten gewidmet.

Des Weiteren hörten die Besucherinnen und Besucher Musik venezianischer Künstler wie Giovanni Battista Fontana (um 1571-1630) und Antonio Vivaldi (1678-1741). Deutlich hob sich dieser Musikstil von der Vornehmheit der französischen Art ab. Viel expressiver, affektvoller und lebendiger erklang mit der Sopranbarockflöte gespielte Sonata von Fontana und nachher die von Dario Castello (1590-1630). Man konnte den freien Geist, der demokratisch regierten Republik Venedig förmlich erspüren. Experimentierfreudigkeit zeichnete diese Musik aus. Auch im Venedig des 16. und des 17. Jahrhunderts gab es soziale Ungerechtigkeit, Armut und die wütende Pest, die paradoxerweise Heldengestalten wie den Heiligen Kamillus von Lellis ins Leben riefen. Die Ordensgemeinschaft, die er gründete, wurde als „Diener der Kranken“ oder „Märtyrer der Nächstenliebe“, auch „Kamillianer“ genannt. Unter Aufopferung seiner Lebenskräfte pflegte er die an Pest Erkrankten und wurde zum Patron der Sanitäter und der Kranken.

Der nächste Termin der Geistlichen Abendmusik ist mit Pfarrer Thomas Steiger, dem SWR Senderbeauftragten der katholischen Kirche, Diözesanmusikdirektor Walter Hirt und Sopranistin Helena Bickel am 11. September um 19:00 Uhr. Als Veranstalterin wünsche ich eine angenehme Sommerpause und freue mich auf unser Wiedersehen im September.

Schwester M. Faustina Niestroj (künstlerische Leitung)